Rechtstipps

Geld oder Urlaub!

Da wundert sich ein Unternehmer aus dem Westerwald nicht schlecht, weil ein 62-jähriger Mitarbeiter, der seit Januar 2007 ununterbrochen erkrankt ist und seit Juli 2008 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit erhält, jetzt plötzlich Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs für die Jahre 2007, 2008 und 2009 verlangt. Gedanklich hatte der Arbeitgeber den Mitarbeiter wegen dessen Verrentung längst abgeschrieben. Diese Einschätzung unterliegt jedoch in mehrfacher Hinsicht einem Irrtum:

- Auch wenn ein Mitarbeiter Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze erhält, endet dadurch das Arbeitsverhältnis mangels anderweitiger Bestimmungen im Arbeitsvertrag nicht automatisch.

- Obwohl ein arbeitsunfähig erkrankter Arbeitnehmer wegen seiner Erkrankung oder auch seiner Erwerbsminderung seinen Urlaub faktisch nicht mehr antreten kann, besteht seit der hierzu ergangenen neueren Entscheidung des europäischen Gerichtshofs auch bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ein Anspruch auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs. Wegen der Entscheidung des europäischen Gerichtshofs hat das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung hierzu umgestellt mit der Folge, dass Arbeitgeber damit rechnen müssen, dass auch dauerhaft erkrankte oder verrentete Mitarbeiter eine Abgeltung des gesetzlichen Urlaubsanspruchs in Geld verlangen. Die fehlerhafte Annahme, das Problem werde sich aufgrund der Verrentung schon von selbst lösen, kann somit zu bösen Überraschungen führen. Im hier vorliegenden Fall verlangte der Arbeitnehmer eine Urlaubsabgeltung für drei Jahre. Bei einem gesetzlichen Mindestanspruch von vier Wochen kommen hier schnell mehrere Gehälter zusammen, die als Urlaubsabgeltung vom Arbeitnehmer verlangt werden können.

Für Arbeitgeber gilt deshalb: Bei lang anhaltender Erkrankung, bei Dauererkrankungen oder gar Verrentung des Arbeitnehmers ist zu beachten, dass auch bei einer Verrentung das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß beendet werden muß, damit nicht weitere Urlaubsabgeltungsansprüche entstehen.

Für Arbeitnehmer gilt: Ist das Arbeitsverhältnis noch nicht beendet und konnte der Urlaub wegen lang anhaltender Erkrankung nicht genommen werden, besteht ein Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs.

Im Ausgangsfall war es so, dass der Arbeitnehmer die erhobene Klage auf Urlaubsabgeltung zurücknehmen musste, weil das Arbeitsverhältnis noch überhaupt nicht wirksam beendet worden war. Allerdings hat der Arbeitgeber zwischenzeitlich die Kündigung ausgesprochen, weil ihm aufgrund der vom Arbeitnehmer erhobenen Klage deutlich wurde, dass sich mit jedem Tag das Risiko von weiteren Urlaubsabgeltungsansprüchen erhöht.

 

 

Dr. iur. Klaus Schmitt
Rechts­an­walt und No­tar
Fach­an­walt für Ar­beits­recht
Vorsitzender des Limburger Anwaltvereins

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