Rechtstipps

Einfach einstecken und lossurfen kann teuer werden!

Erstellt von Rechtsanwalt Lechner


Die Ausgangssituation ist meist ähnlich: Eine Familie hat einen Internetzugang; heutzutage gehört der ja schon zum Standard und wird von Schulen und Arbeitgebern vermehrt vorausgesetzt.

Von dem Internetanbieter wurde eine "Box" mitgeliefert, die mit dem Slogan "auspacken, einstecken und lossurfen" beworben wurde. Hierbei handelt es sich heutzutage überwiegend um werksseitig vorprogrammierte W-Lan Router und W-Lan Sticks.

Um also das begehrte Heimnetzwerk aufzubauen geht unsere Musterfamilie wie auf der Verpackung angegeben vor. Nachdem das Internet dann einmal zum Laufen gebracht ist, wird an der Konfiguration nichts mehr geändert. Gerade das soll nach der neusten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu dem Aktenzeichen I ZR 121/08 pflichtwidrig sein.

In jenem Fall erhielt nämlich die beschriebene Musterfamilie überraschend Post von einem sogenannten "Abmahnanwalt". Dieser wirft der Familie eine Urheberrechtsverletzung vor und verlangt nun Schadenersatz, Unterlassung und Rechtsanwaltskosten für die erfolgte Abmahnung. Die Familie soll am 03. Juni Musikstücke in einer Tauschbörse im Internet zum Download angeboten haben ohne die erforderlichen Urheberrechte an diesen Musikstücken gehabt zu haben. Dabei, so sind sich alle sicher, war die Familie genau zu diesem Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung gemeinsam im Sommerurlaub. Das Haus war leer, der Computer ausgeschaltet. Was war passiert?

Der W-Lan Router (die "Box" des Internetanbieters) im Keller wurde nicht ausgeschaltet. Offensichtlich gelang es in Abwesenheit der Familie einem unbekannten Dritten, sich Zugriff auf den Router zu verschaffen und so über das Internet der Familie zu surfen.

Da sich die Familie keiner Schuld bewusst war, kam sie den Forderungen der Musikindustrie nicht nach und wurde auf Abmahnkosten, Schadenersatz und Unterlassung verklagt.

Der Bundesgerichtshof entschied nun zu oben angegebenem Aktenzeichen, dass diese Familie wird zahlen müssen; jedenfalls die Abmahnkosten. Schadenersatz wegen entgangener Gewinne aus dem Verkauf des angeblich im Internet angebotenen Musikstücks sprach der Bundesgerichtshof der Musikindustrie allerdings nicht zu. Dies aber nur deswegen nicht, weil auch in vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall nachgewiesen werden konnte, dass zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung niemand zu Hause war und der Rechner aus war. Nur so konnte der Anschlussinhaber die Vermutung widerlegen, die Urheberrechtsverletzung sei durch ihn selbst verursacht worden. Da auch unsere Familie weder Täter noch Teilnehmer der Urheberrechtsverletzung des unbekannten Dritten war, wird auch sie Schadenersatzansprüche der Musikindustrie nicht zahlen müssen.

Der Unterlassungsanspruch sowie die Abmahnkosten, so der Bundesgerichtshof, wären allerdings auch in unserem Fall von der Familie rechtmäßig zu beanspruchen. Hierzu begründet der Bundesgerichtshof in dem oben genannten Urteil: "Der Beklagte hat es nach Anschluss des W-Lan Routers bei den werkseitigen Standardsicherheitseinstellungen belassen und für den Zugang zum Router kein persönliches, ausreichend langes und sicheres Passwort vergeben. Der Schutz von Computern und Kundenkonten im Internet und Netzwerken durch individuelle Passwörter gehörte auch Mitte 2006 bereits zum Mindeststandard privater Computernutzung und lag schon im Vitaleigeninteresse aller berechtigten Nutzer."

Weil unsere Familie ihre Prüfpflichten hinsichtlich einer individuellen Passwortvergabe ihres W-Lan Routers verletzte, belegt der Bundesgerichtshof sie bereits mit der sogenannten Störerhaftung, was im Ergebnis dazu führt, dass die Familie mehrere hundert Euro an Abmahnkosten und letztlich auch Prozesskosten zu zahlen haben wird. Noch die Vorinstanz (das Oberlandesgericht Frankfurt) urteilte "eine Prüfpflicht, welche die Störerhaftung auslöst, bestehe nur, wenn der Anschlussinhaber konkrete Anhaltspunkte für einen Missbrauch seines Anschlusses gehabt hat." Der Bundesgerichtshof erweiterte also den Verantwortungskreis eines Internetanschlussinhabers.

- Kann mir denn jetzt das Gleiche passieren wie der oben beschriebenen Familie?

Ganz klar, ja, wenn Sie nur mit dem werkseitig vergebenen Passwort Ihr W-Lan absichern. In den dunklen Ecken des Internets sind schon lange jene Programme verfügbar, mit denen die werkseitigen Passwörter in kürzester Zeit "geknackt" werden können und so Dritte unberechtigt Zugriff auf Ihren W-Lan Router erhalten.

- Wie kann ich mich sichern?

1. Nehmen Sie den Bundesgerichtshof beim Wort und individualisieren Sie Ihr Passwort. Hierbei gilt, dass der W-Lan-Verschlüsselungsstandard (WPA-2 WEP) genutzt werden muss, der zum Zeitpunkt des Kaufes des Routers der aktuellste war, sprich der für Ihren Router höchst mögliche. Der Bundesgerichtshof hat nämlich auch Nachsicht mit all jenen Benutzern älterer Geräte. Diese sind nicht verpflichtet, ständig den aktuellsten Router vorzuhalten.

2. Die pflichtgemäße Absicherung Ihres W-Lans sollten Sie für einen eventuellen Prozess auch beweissicher vornehmen. Optimalerweise lassen Sie Ihr W-Lan durch einen Dritten, der Ihnen später im Prozess als möglicher Zeuge zur Verfügung steht, sichern. Die Rechnung eines Servicetechnikers, welche sich über die Routersicherung verhält, ist allemal billiger als eine spätere Abmahnung.

- Was, wenn ich schon abgemahnt wurde?

Hier macht es die gerne genutzte Vogelstrauss-Technik nur noch schlimmer. Reagieren Sie nicht, droht Ihnen in vollem Umfang der Abmahnung verklagt zu werden; dass heißt jedenfalls auf Abmahnkosten, Schadenersatz und Unterlassung.

Das Prozessrisiko kann hier deutlich gemindert werden, gegebenenfalls durch Abgabe einer sorgfältig formulierten Unterlassungserklärung. Dies sollten Sie unbedingt einem Anwalt überlassen. Das Internet kann hier kein guter Ratgeber sein. Finger weg gilt auch für telefonische Beratungsangebote, bei denen der Ratgeber die Abmahnung nie selbst gelesen hat. Eine seriöse Beratung ist hier nur bei vollständiger Sichtung der Unterlagen und Besprechung zu den Einzelheiten möglich.

Grundsätzlich gilt, zahlen Sie nichts, äußern Sie sich nicht und holen Sie zur Abmahnung zunächst anwaltlichen Rat ein. Jene unbestimmte Zahlung oder unvorsichtige Erklärung könnte möglicherweise gegen Sie verwandt werden. Die Ihnen vorgeworfene Urheberrechtsverletzung stammt gegebenenfalls nicht einmal von Ihrem Anschluss und Sie wurden völlig zu Unrecht abgemahnt. Ausweislich der technischen Fachpresse unterlaufen bei der "IP-Anschlussinhaberermittlung" nicht selten eklatante Fehler, die es gegenüber den Abmahnenden zu begründen und unter Umständen auch im Rahmen eines Prozesses einzuwenden gilt. So kann durch anwaltliche Vertretung nicht selten ein Urheberrechtsprozess gänzlich vermieden werden und der Rechtsstreit bereits im Keim erstickt werden.

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